Gegen Filz und für mehr Natur

Vor allem junge AktivistInnen der bulgarischen Zivilgesellschaft kämpfen gegen Korruption und für mehr Naturschutz
Vor allem junge AktivistInnen der bulgarischen Zivilgesellschaft kämpfen gegen Korruption und für mehr Naturschutz

Die jungen AktivistInnen der bulgarische Zivilgesellschaft engagieren sich vor allem auf zwei Ebenen: gegen Korruption und für mehr Natur- und Umweltschutz. Marco Vanek traf in Bulgarien einige der Engagierten.

 

 

„Italien hat die Mafia, in Bulgarien ist die Mafia der Staat“, kurz und prägnant beschreibt ein bulgarischer Aktivist aus der Zivilgesellschaft die politische Lage in seinem Land. Vor allem NaturschützerInnen, JournalistInnen und KorruptionsbekämpferInnen spüren am eigenen Leib, was es heißt gegen das System zu kämpfen, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und Geldverschwendung aufzudecken.

 

Noch 1989 hatten vor allem viele junge Menschen große Hoffnung auf den Systemwechsel. Zu Tausenden demonstrierten sie gegen das gerade zusammenbrechende kommunistische Regime. Nur wenige Jahre danach waren sie ernüchtert über die neuen Verhältnisse. Staatsbetriebe wurden privatisiert, nur einige Wenige, die mit der alten Staatsmacht verbandelt waren, profitierten von den Verkäufen und wurde immer reicher.

 

Bulgariens junge Demokratie begann mit einem brutalen Kampf. Unter den neuen größeren und kleineren Businessmen tobte in den 90er Jahren ein regelrechter Bandenkrieg. Mehr als 150 Mafiamorde innerhalb weniger Jahre waren der Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen den mafiösen Verbindungen. Nur wenige dieser Morde wurden von der Justiz aufgeklärt. Auch heute noch zählt der Justizapparat zu den Schwachstellen des bulgarischen Staates. Die Auswirkungen einer schwachen und korrupten Justiz spüren nach wie vor regierungskritische Menschen, wenn sie etwa illegale Holzschlägerungen oder Landverkäufe an Regierungsfreunde anprangern. Ihre Anzeigen verlaufen meist im Sand und werden oft wegen Verjährung eingestellt.

 

Toma Belev und Tanya Schnell - zwei Generationen von NaturschützerInnen in Bulgarien
Toma Belev und Tanya Schnell - zwei Generationen von NaturschützerInnen in Bulgarien

Bekanntester Umweltschützer Bulgariens ist Toma Belev. Seit Jahrzehnten schon setzte er sich in der Balkanregion für Umwelt- und Naturschutz ein, initiierte Forschungsprojekte, trieb die Einrichtung von Naturschutzgebieten voran und knüpfte Kontakte zu vielen Organisationen in ganz Europa. Belev selbst war ab den frühen 90er Jahren dreizehn Jahre lange Direktor des Naturparks Vitosha und ist heute Vorsitzender des Verbandes der bulgarischen Naturparks – einer Nichtregierungsorganisation. „Da die Regierung keinerlei Interesse an Naturschutzpolitik zeigt, übernehmen regierungsunabhängige Organisationen die konkrete Naturschutzarbeit“, sagt Tanya Georgieva-Schnell, eine frühere Mitarbeiterin von Belev im Naturpark. Die junge Forscherin ist heute in der Stiftung für Biodiversität tätig und managt verschiedene Forschungsprojekte im Naturschutzbereich. Junge und regierungskritische AktivistInnen waren es auch, die die Unterschutzstellung vieler Landstriche Bulgariens vorantrieben. Vor allem durch ihre Arbeit und ihr Engagement wurde vor und kurz nach dem EU-Beitritt knapp ein Drittel der Landfläche unter Naturschutz gestellt.

 

Doch heute können Bulgariens Naturschutz-NGOs nur durch Unterstützung europäischer Partnerorganisationen überleben. Denn die aktuelle Regierung finanziert nur ganz selten Natur- und Umweltschutzprojekte aus der NGO-Szene. So springen immer wieder - etwa für Forschungsprojekte der bulgarischen Stiftung für Biodiversität - Schweizer und norwegische Einrichtungen ein und übernehmen selbst den Anteil, den der bulgarische Staat beisteuern sollte.

 

Vor zehn Jahren schlossen sich viele der kleinen NGOs zu einem breiten Umwelt- und Naturschutzbündnis „For the Nature“ zusammen „Früher wollten wir eine Insel erschaffen, auf der wir unsere Gesellschaft und Natur beschützen“, sagte Toma Belev auf der 10-Jahresfeier des Naturschutzbündnisses im heurigen Frühjahr. „Doch das ist unmöglich. Es gibt keine Insel der Glückseligen. Ab jetzt müssen wir draußen in der echten Welt kämpfen, für die Menschen und ihre Würde.“ Ein Kampf, der gerade erst begonnen hat, für Toma, Tanya und die vielen anderen, die sich gegen den Filz in Politik und Gesellschaft wehren und sich für mehr Natur engagieren.

 

Weblinks:
Vereinigung der bulgarischen Naturparks (engl.)

Stiftung für Biodiversität in Bulgarien (engl.)

 

Arte sendete im Frühjahr 2017 eine interessante Doku über die bulgarische Zivilgesellschaft: Bulgaren gegen den Filz - im korruptesten Land Europas. Nachzusehen