Mid Wales:

Erkundungen im Grünen Herzen von Wales

Ein Porträt über die kleine Stadt Machynlleth und das Umland zwischen Küste und Dyfital in Mid Wales. Dieser Beitrag entstand als Nachklang unserer Zugreise nach und durch Wales im Sommer 2025.

Die kleine Stadt Machynlleth liegt eingebettet zwischen den Ausläufern der Cambrian Mountains und dem Dyfi-Flusstal und der Grenze zum Snowdonia-Nationlpark. / Text und Fotos: Marco Vanek
Die kleine Stadt Machynlleth liegt eingebettet zwischen den Ausläufern der Cambrian Mountains und dem Dyfi-Flusstal und der Grenze zum Snowdonia-Nationlpark. / Text und Fotos: Marco Vanek

Eingebettet zwischen den weiten Moorlandschaften und Küstenhügeln von Mid Wales, bietet die Region rund um Machynlleth ein seltenes Gleichgewicht aus Geschichte, Natur und Innovation. Hier, im Herzen des Dyfi-Biosphärenreservats, treffen uralte Wälder und Feuchtgebiete auf moderne Umweltprojekte wie das Centre for Alternative Technology (CAT). Die Region lockt nicht nur Wanderer:innen und Vogelbeobachter:innen an die spektakulären Ufer des Dyfi und den Wales Coast Path, sondern begeistert auch durch den Charme traditioneller Hafenorte wie Aberdovey/Aberdyfi. Wer Machynlleth besucht, erlebt eine Landschaft im Wandel – und eine Bevölkerung, die ihr Leben zwischen Küste, Moor und moderner Ökonomie gut eingerichtet hat.

 

Machynlleth:

Der Clocktower steht im Zentrum der kleinen Stadt
Der Clocktower steht im Zentrum der kleinen Stadt

Die walisische Kleinstadt mit etwa 2.000 Einwohner:nnen ist für ihre lebendige Geschichte, ihr nachhaltiges Engagement und ihren alternativen Charme bekannt ist. Direkt am Fluss Dyfi gelegen und von den Ausläufern des Cambrian-Gebirges umgeben, ist sie landschaftlich und kulturell eines der Zentren von Mid Wales.

 

Historische Bedeutung

Die Wurzeln reichen ins Mittelalter: Machynlleth war 1404 Sitz der ersten walisischen Volksversammlung unter Owain Glyndŵr und wird oft als „Heimliche Hauptstadt“ von Wales bezeichnet.

Markenzeichen ist die Town Clock im Zentrum, das Marktgebäude von 1874 und die durch­gehend genutzte Tradition als Marktplatz für die umliegende Region.

 

 Architektur und Stadtbild

Das Zentrum ist eine Mischung aus historischen Gebäuden, einfachen Wohnhäusern, viktorianischen Reihen und modernen Gebäuden. Grünflächen, Uferwege am Dyfi und kleine Parks sind integrale Bestandteile der Stadt. Vom Stadtrand geht die Stadt fast nahtlos in Felder, Wälder und Moorlandschaften über. Die Nähe zum Fluss Dyfi und die Topografie prägen das Alltagsleben nachhaltig, etwa durch Hochwasserschutz, Renaturierungsprojekte und naturnahe Freizeitangebote.

 

Wirtschaftliche Lage

Die Wirtschaft ist vielfältig, aber typisch für eine ländliche Kleinstadt: Land- und Forstwirtschaft, Agrotourismus, Öko-Tourismus und Outdoor-Angebote dominieren. Herausforderungen sind die begrenzte industrielle Diversifikation, saisonale Schwankungen durch Tourismus und der Strukturwandel vom klassischen Handwerk hin zur Wissensökonomie und Dienstleistungswirtschaft. Ein Teil der Bevölkerung muss in die District-Hauptstadt Aberystwyth auspendeln.

Die Landschaft des Biospärenparks bei Machynlleth

Im Landschaftsschutzgebiet an der Dify-Mündung gehen beweidete Wiesen über in Sumpfgebiet
Im Landschaftsschutzgebiet an der Dify-Mündung gehen beweidete Wiesen über in Sumpfgebiet

Wälder und Hänge: Grünes Geflecht

Die Hänge der Cambrian-Ausläufer tragen Eichen‑ und Birkenwälder, durchzogen von Hecken, Feldrainen und kleinen Bächen, die bis zum Ufer des Dyfi reichen. Lichtungen öffnen den Blick über patchworkartige Weiden, alte Trockenmauern, Weidetore und versteckte Pfade erzählen von einer Kulturlandschaft, die über Jahrhunderte behutsam bewirtschaftet wurde .

 

 Dyfi: Fluss, Auen, Mündung

Rund um Machynlleth prägt der Fluss Dyfi das Bild: breite Auen mit Mäandern, Feuchtwiesen und Altwässern, die saisonal überfluten und ein Refugium für Otter, Reiher und Watvögel bieten . Weiter westlich öffnet sich das Tal zur Cardigan Bay; Salzmarschen und Schlickflächen gehen in Dünen und Strände über und machen die Übergangslandschaft zwischen Süß- und Salzwasser sichtbar . Diese Dynamik ist Kern des UNESCO‑Biosphärenstatus und schafft außergewöhnliche Biodiversität auf engem Raum .

 

Moore: Speicher und Geheimnis

Die Hoch- und Übergangsmoore wie Cors Dyfi sind stille Kraftwerke der Natur: Sie speichern Wasser und Kohlenstoff, beherbergen Torfmoose, Sonnentau und Glockenheide und bilden Brutplätze für Fischadler und andere seltene Arten . Wiedervernässungsprojekte stabilisieren den Wasserhaushalt, dämpfen Hochwasser und stärken Klimaschutz sowie Artenvielfalt langfristig . Wer auf Stegen durch das Moor geht, erlebt eine lautlose, federnde Welt mit überraschender Fülle an Detailleben.

 

Mensch und Landschaft: Gelebte Biosphäre

Die Dyfi‑Biosphäre verknüpft Schutz und Nutzung: Weidewirtschaft, naturnahe Forstung, sanfter Tourismus und Umweltbildung halten das Land lebendig, ohne es zu übernutzen. Gemeinschaftsprojekte, Beobachtungsplattformen, Landschaftsschutzgebiete und der Wales Coast Path erschließen die Natur niedrigschwellig und stärken regionales Bewusstsein und Einkommen . So bleibt die Landschaft nicht Kulisse, sondern Lebensraum – für Menschen wie für seltene Tierarten.

Küstenbogen: Klippen, Buchten, Fernsicht

Der Clarach Bay ist ein paradiesischer Ort entlang des Küstenweitwanderweges.
Der Clarach Bay ist ein paradiesischer Ort entlang des Küstenweitwanderweges.

Wir wanderten etwa 11 km am Wales-Coast-Path von Borth nach Aberystwyth, wo wir eine dramatische Westküstenkulisse aus Dünen, Klippen und offenen Küstenrasen erlebten.

Nordwärts breiten sich die sandigen Systeme von Borth und Ynyslas aus, südwärts staffeln sich Schieferklippen mit grasigen Hochflächen und tief eingeschnittenen Buchten bis zur Promenade von Aberystwyth .

 

Klippen und Küstenrasen

Zwischen Borth und Clarach Bay erheben sich dunkle, schichtweise erodierte Klippen aus Sedimentgestein; darüber liegen windoffene Grasbänder mit Wildblumen, Disteln und Farnsäumen .

Exponierte Kanten öffnen Blicke bis zur Llyn‑Halbinsel; Seevögel segeln im Aufwind, und bei ruhiger See zeigen sich oft Delfine in der Bucht, die wir an diesem Tag aber nicht zu Gesicht bekommen haben. 

 

Buchten und Täler

Clarach Bay bildet eine geschützte Mulde mit Kies‑ und Sandstrand, flankiert von Hängen mit Gorse (Stechginster) und Hecken; kleine Bäche schneiden Kerbtäler in die Hänge. Vor Aberystwyth staffeln sich kurze Auf‑ und Abstiege durch Mulden mit Schafweiden; Trockensteinmauern und Weidetore prägen den ländlichen Saum der Route.

 

Ankunft in der Stadt

Der letzte Höhenrücken öffnete uns den Blick auf Aberystwyth: viktorianische Terrassen, der Pier und die steinerne Promenade heben sich von dem wilden Vorderrain der Klippen ab. Küstenheide, Grassoden und vereinzelte Dornbüsche gehen in städtisches Grün  über. Am Ende der Wanderung erlebten wir einen sehr abrupten Übergang von Naturraum zur urbanen Küste.

Aberystwyth ist eine traditionsreiche Universitäts‑ und Küstenstadt, bekannt für ihre viktorianische Promenade, den Pier und die Ruine von Aberystwyth Castle. Die Stadt verbindet lebendige Studentenszene, National Library of Wales und Seebad‑Atmosphäre mit Klippenpfaden, Stränden und einer kompakten Altstadt...

CAT - Center for Alternative Technologies

Der eigene Garten ist wichtiger Teil des Forschungs- und Bildungszentrums
Der eigene Garten ist wichtiger Teil des Forschungs- und Bildungszentrums

Labor der Zukunft auf einem alten Steinbruch

Das Centre for Alternative Technology (CAT) in Machynlleth ist seit den 1970er-Jahren ein Pionierort für Umweltschutz, Energiewende und nachhaltiges Bauen. Aus einem stillgelegten Schieferbruch entstand ein lebendiger Campus, der zeigt, wie eine ressourcenschonende Zivilisation praktisch funktionieren kann. Heute vereint CAT Ausstellungen, Forschung, Universitätskurse und öffentliche Programme – ein Ort, an dem Visionen konkret werden. An diesem Ort wurde vor mehr als 50 Jahren begonnen eine Industriebrache in eine grüne Insel umzuwandeln, wo auch altes Handwerk kultiviert und viel Bildungsarbeit gemacht wird.


Gegründet als Antwort auf Energiekrisen und Umweltprobleme der frühen 1970er Jahre, versteht sich CAT als Reallabor: Technologien werden nicht nur erklärt, sondern ausprobiert und im Alltag betrieben. Der Standort im Dyfi-Tal ist bewusst gewählt: Inmitten des Biosphärenreservats lassen sich erneuerbare Systeme im Zusammenspiel mit Landschaft, Wasser und Wald demonstrieren.

 

Der Garten als Forschungs- und Bildungslabor
Im zentrumseigenen Garten erforschen und demonstrieren die Mitarbeiter:innen kreislauforientierte, klimafitte Anbausysteme – von biologischem Gemüsebau und Agroforst über Kompostierung und Wasseraufbereitung bis hin zu Bodenaufbau, Saatgutvielfalt und naturbasiertem Schädlingsmanagement. Erprobt werden auch Mischkulturen, Fruchtfolgen und mehrschichtige Beete (Gemüse, Kräuter, Beeren) zur Erhöhung der Resilienz gegen Wetterextreme und Schädlinge.

Besonderes Anliegen ist ihnen der Erhalt und Nutzung samenfester Sorten, Test klimatauglicher, robuster Varietäten für kühle, feuchte Bedingungen in Mid Wales...