Eger/Cheb

historische schätze unter den dächern

Fotos: Marco Vanek, Annemarie Niedereder-Mayr
Fotos: Marco Vanek, Annemarie Niedereder-Mayr

Andreaskreuze, meterhoch aufrecht stehende Balken: Filigran verzweigen sich die Verstrebungen bis hinauf in die Spitze der Konstruktionen. Wir haben hohe Zimmermannskunst aus dem Mittelalter in der westböhmischen Stadt Cheb, auf Deutsch Eger, bestaunt.

Vor fast zehn Jahren hatten Investoren die Idee, in den Obergeschossen der Gebäude am Marktplatz von Cheb Luxuswohnungen einzubauen, erzählt uns die Mitarbeiterin jener gemeinnützigen Stiftung, die sich heute um die alten Dachstühle der Bürgerhäuser kümmert.  Das Vorhaben rief Denkmalschützer:innen auf den Plan. Wenig später war klar: Die Bausubstanz der Dachstühle ist einzigartig und besonders wertvoll.  Doch mit dem sündteueren Wohnraum in den obersten Etagen der Häuser war es nun vorbei. Zahlreiche Dachböden wurden unter Denkmalschutz gestellt.

 

 Die Häuser sind bis auf eines alle im Eigentum der Stadt Cheb; Mieter sind diverse Firmen, Versicherungen, politische Parteien. Die Verantwortlichen im Rathaus besannen sich zusammen mit dem Stiftungsfonds "Historisches Eger" auf den Erhalt der Jahrhunderte alten Substanz - sowie auf die touristische Nutzung. So wie wir gibt es viele Interessierte, die sich über die alte Zimmererkunst informieren möchten.

 

Sechs Häuser haben wir uns genauer unter die Lupe genommen, auf absturzsicheren Wegen haben wir die Dachböden erkundet. Im ersten Dachboden gleich neben dem Tourismusbüro am Marktplatz ist eine kleine Sitzecke eingerichtet, wo wir über die Konstruktionsweise der Dachstühle informiert wurden. Das Gebälk dieses Hauses wurde um 1714 errichtet. Feststellen konnten die Denkmalschützer:innen das genaue Datum durch die Analyse des Holzes. Doch weitere Dachstühle sind hunderte Jahre älter. Die Zeit nach 1945 wäre schlimm gewesen für die Dachstuhl-Konstruktionen, informiert uns die Führerin. Nach der Vertreibung der Eigentümer:innen und Bewohner:innen seien die Häuser leer gestanden - über viele Jahre, mit den Folgen für die Bausubstanz.

 

Eine weitere Station war das sogenannte "Grüner-Haus": Das Gebäude gegenüber dem Rathaus ist benannt nach dem früheren Eigentümer Joseph Sebastian Grüner (1780 - 1864), bekanntermaßen ein Freund von Johann Wolfgang von Goethe. Dann geht es über den Markplatz in mehrere Gebäude nebeneinander auf der Seite gegenüber. Dabei können die einzelnen Dachstühle aus mehreren Epochen bis ins 14. Jahrhundert teils ohne Umwege erkundet werden: So wie die anderen Besucher:innen gingen wir von einem Dachboden zum anderen. Auf dem Dachgeschoss des "Schirndinger Hauses" mit der markanten schwarzen Fassade endet die Tour. 

 

 

 

Was macht die Dachstühle so besonders:

 

Die erhaltenen Dachstühle von Cheb/Eger bilden das beedeutenste Ensemble von diesen ursprünglich seit dem Mittelalter bis Mitte des 20. Jahrhunderts datierten Holzkonstruktionen in Tschechien.  

 

Einzelne Konstruktionen tragen in sich die kompletten Informationen über Typen und Varianten von Dachsesseln im Maßstab von Jahrhunderten, und zwar in einem Raum – in den Stadthäusern rund um den Egerer Ring. 

 

Einen so reichen Komplex von Dachkonstruktionen zu besuchen und zu erleben ist nur in Cheb/Eger möglich.

 

 

 

 

Was waren die Gründe, wieso diese Substanz so lange erhalten blieb:

 

Vor allem war es der Reichtum der Egerer Kaufleute, die ab dem 14. Jahrhundert große Häuser bauen ließen,
* deren Renovierungen in den Folgejahren nicht mehr nötig waren.

*  Sie wurden aus hochwertigem Holz unter Beteiligung hervorragender Zimmerleute errichtet.

* Die Dächer wurden mit Dachziegeln gedeckt, die sie vor der Ausbreitung der verheerenden Brände schützten.

* Während des Kommunismus gab es zu wenig Finanzmittel, um die Dachstühle im großen Umfang auszutauschen...

 

Weitere Informationen:
www.cheb.cz
www.historickycheb.cz/de