Rom anders

Architekturen des 20. und 21. Jahrhunderts - eine Reise der anderen Art im November 2016

Das Foyer des Auditoriums Parco della Musica schaut ähnlich aus wie jenes im Linzer Musiktheater. Es dient nicht nur als Zugang zu den drei Konzertsälen, sondern ist auch ein Ort der Begegnung und Versammlung.
Das Foyer des Auditoriums Parco della Musica schaut ähnlich aus wie jenes im Linzer Musiktheater. Es dient nicht nur als Zugang zu den drei Konzertsälen, sondern ist auch ein Ort der Begegnung und Versammlung.

"Fare una bella figura“ – eine Phrase, die in Italien sehr ernst genommen wird. Der Schein ist, so scheint es, oft wichtiger als das Sein. Wir machten uns auf den Weg nach Rom in die ewige Stadt, um hinter den schönen Schein von moderner Architektur zu blicken und uns mit aktuellen Themen der Stadt auseinander zu setzen. Wir erlebten aber auch den römischen Alltag. Selber zu spüren bekamen wir, was es heißt, wenn die Bediensteten der öffentlichen Verkehrsmittel für einen Tag ihre Arbeit niederlegten und wir deshalb zu Fuß weitergehen mussten. Wir erlebten aber auch beschauliche Momente in Stadtvierteln abseits der touristischen Pfade, wo wir ein Stück  in das Leben der Römerinnen und Römer eintauchen konnten.

Fotos und Texte: Marco Vanek und Herta Gurtner

 

"Papst Franziskus überrascht uns mit seiner unkonventionellen Art fast jeden Tag aufs Neue", meinte Gudrun Sailer (Zweite von rechts). Wir trafen die Redakteurin von Radio Vatikan zu einem Gespräch.
"Papst Franziskus überrascht uns mit seiner unkonventionellen Art fast jeden Tag aufs Neue", meinte Gudrun Sailer (Zweite von rechts). Wir trafen die Redakteurin von Radio Vatikan zu einem Gespräch.

 

Rom als Synonym für die Antike und deren beeindruckende Bauten verfügt über eine beträchtliche Anzahl interessanter, moderner Architekturen, die dem/der herkömmlichen TouristIn unbekannt sind. Von der größten Moschee Europas bis zu den faschistischen Bauten der Mussolini-Ära im Stadtteil EUR spannte sich unser Besuchsbogen. Nicht zu vergessen die eindrucksvollen Kunst- und Kulturbauten wie das „MAXXI“ oder der „Parco della Musica“.

 

Der Palazzo della Civiltà im Stadtteil EUR sollte ursprünglich eine Ausstellung über die Geschichte der italienischen Zivilisation bis hin zum Faschismus beherbergen. Seit 2015 ist im Gebäude der Sitz des Modelabels FENDI
Der Palazzo della Civiltà im Stadtteil EUR sollte ursprünglich eine Ausstellung über die Geschichte der italienischen Zivilisation bis hin zum Faschismus beherbergen. Seit 2015 ist im Gebäude der Sitz des Modelabels FENDI

 

Anhand von Architekturbeispielen des 20. und 21. Jahrhunderts konnten wir gesellschaftspolitische Themenbereiche wie „Religion“, „Kunst und Kultur“ sowie „Politik“ in der ewigen Stadt erforschen und mit unseren GesprächspartnerInnen darüber diskutieren. Gemeinsam mit ihnen blickten wir hinter die Fassaden der Bauten und erspürten so einen Hauch des anderen Rom.


Chiesa Dio Padre Misericordioso
Die Kirche in der Trabantenstadt Tor Tre Teste wurde vom amerikanischen Architekten Richard Meier zwischen 1998 und 2003 erbaut, als Teil des Bauprogrammes der Diözese Rom "50 Kirchen für Rom" . Mit ihrer betont skulpturalen Formensprache schafft der Kirchenbau einen Gegenpol zum normierten Raster der umgebenden Wohnbauten aus den 70er Jahren und verleiht dem Quartier damit ein neues, fast unwirklich anmutendes Zentrum. Die Materialien der Konstruktion sind vor allem Glas, Weißzement und Travertin. Richard Maier: "Das Wichtigste ist Licht. Licht ist Leben".


Auditorium Parco della Musica
Das von Renzo Piano in den Jahren 1995 bis 2002 erbaute Kulturzentrum zählt zu den größten Konzerthäusern Europas. Es besteht aus drei Sälen (2800, 1200 und 750 Plätze), das Untergeschoss bietet Platz für fünf Tonstudios, Probesäle und Bibliotheken. Außerdem finden sich dort ein Restaurant, eine Bar und eine Buchhandlung. Die drei Konzertsäle säumen im Halbrund die abfallenden Stufen eines offenen Amphitheaters für 3000 BesucherInnen. Die Geometrie der drei Gebäude greift die Form der Schallkörper eines Orchesterraumes auf. Das Holz der Kuppelkonstruktion kam aus Kärnten; weiters verwendet wurden Travertin, Backstein, Blei für die Dachplatten (die zugleich als Abschirmung gegen Handy-Strahlen dient), sowie Kirschholz aus den USA für die Akustikelemente im größten Saal.


Esposizione Universale di Roma (EUR)
Das Stadtviertel EUR wurde vom Mussolini-Regime für die geplante, aber nie abgehaltene Weltausstellung 1942 angelegt. Die Bauarbeiten begannen 1938 und wurden kriegsbedingt unterbrochen und die meisten Bauten erst in den 1950er Jahren fertiggestellt. Die politische Motivation dahinter: Jubiläum des Regimebeginns 1922. Städtebaulich verbindet es das historische Zentrum Roms über die Viale Cristoforo Colombo mit dem Meer bei Ostia und entsprach damit der faschistischen Direktive „Rom ans Meer“. Der Grundriss ist von der klassischen römischen Stadtplanung geprägt und ordnet an den Schnittpunkten von Haupt- und Nebenachsen zentrale Monumentalbauten an. Inmitten des EUR steht auch der Palazzo dei Congressi (Bild), ein niedrig überkuppeltes Gebäude des Architekten Adalberta Libera, in einem Stil, den man heute als rationalistisch (sehr schlicht) bezeichnen würde.


 

Gespräch mit Rosalba Belibani

Gemeinsam mit Dott.ssa Rosalba Belibani (Professorin am Dipartimento di Archtettura e Progetto der Universität La Sapienza Rom, rechts neben Herta Gurtner sitzend) erörterten wir die stadtplanerischen Herausforderungen in Rom, allen voran den (mangelhaften) öffentlichen Verkehr, das Problem mit der Müllentsorgung, den schlechten Luftwerten sowie den Einfluss von repräsentativen Bauten wie dem MAXXI auf den Stadtteil.


Museo nationale della arti del XXI secolo (MAXXI)
Zaha Hadid definierte mit diesem Gebäude den Raum neu. Ihr Konzept dahinter:  fließende, expandierende, offene Räume, die zu schweben scheinen, Räume ohne zentralen Fluchtpunkt, sondern perspektivistisch angelegt, eine nicht-euklidische Geometrie... Zum Einsatz kamen ein grauer Sichtbeton, Faserbeton, Stahl und Glas. Durch eine speziell für diesen Bau entwickelte Verschalung und die Industrialisierung des Fertigungsprozesses der Sichtbetonflächen gelang es den IngenieurInnen den Entwürfen von Zaha Hadid zu entsprechen. Im Jahr 2003 wurde der Grundstein gelegt, 2010 wurde das erste italienische Museum für zeitgenösssiche Kunst und Architektur eröffnet.

Weitere Infos:
Herta Gurtner: Das MAXXI, Museo Nazionale delle Arti del XXI Secolo. Architektur - Raum - Kunst - Mensch. Kommunikation im sozialen Raum, 2015, Diplomarbeit


La Grande Moschea Roma
Die "Große Moschee", wurde 1995 eingeweiht und ist angeblich die größte in Europa. Finanziert wurde der Bau vorrangig vom saudischen Königshaus, aber auch von zahlreichen islamischen Ländern. Die Stadt Rom stellt das 30 Hektar große Grundstück zur Verfügung. Die Moschee liegt am Fuße der Monti Parioli, inmitten eines grünen Areals, etwas außerhalb der Stadt. Der Bau wird stilistisch der Postmoderne zugerechnet und greift Elemente der barocken Architektur Roms sowie der islamischen Bautradition auf. Streng waren die baulichen Auflagen: das Minarett durfte nicht höher sein als der Petersdom und Lautsprecher durften nicht eingebaut werden.


Elisa Saltetto (Bibliothekarin), Elke Atzler (Direktorin), Rainer Murauer (Historiker)
Elisa Saltetto (Bibliothekarin), Elke Atzler (Direktorin), Rainer Murauer (Historiker)

Forum Austriaco di Cultura
Das österreichische Kulturinstitut (ÖKF)  in Rom schlägt Brücken zwischen der zeitgenössischen KünstlerInnenszene in Österreich und dem interessierten römischen Publikum. "Kultur ist die dritte Säule der Österreichischen Außenpolitik", berichtete die Direktorin Elke Atzler bei unserem Besuch am heutigen Standort. "Das ÖKF  zählt zu den Hauptakteuren in der österreichischen Kulturvermittlung in den jeweiligen Ländern und organisiert Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Symposien, Filmvorführungen und vieles andere mehr.  1936 wurde mit dem Bau des Hauses in der Viale Bruno Buozzi begonnen. Die Pläne stammen vom österreichischen Architekten Karl Holey. Im Haus untergebracht ist auch eine Bibliothek mit über 100.000 Bänden mit Schwerpunkt Kunstgeschichte, Archäologie, Kunst, Literatur und Landeskunde Österreichs. Im Haus untergebracht ist auch das Historische Institut, eine der bedeutendsten Forschungseinrichtungen der Republik Österreich im Ausland.  

 


Weitere Impressionen aus Rom



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Das Reiseprogramm
Rom anders 2016 - der Programmablauf.pdf
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Tipps für das andere Rom von Herta Gurtner
Rom anders 2016_Tipps und Infos.pdf
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